Fünf Fragen an die Autorin Vera Griebert-Schröder zu ihrem Buch »Und in der Mitte bist du heil«

Das Medizinrad wird in erster Linie mit den Indianern Nordamerikas verbunden. Spielt es auch in unserer Kultur eine Rolle?

Das Medizinrad ist allgemein ein Symbol für das Rad des Lebens, der Kraft und der Weisheit. Es spiegelt den Kreis des Tages, des Jahres und der Lebenszyklen wider. Von der indianischen Tradition wissen wir, dass diese »Medizin« nicht nur mündlich überliefert, sondern auch in Kreisen mit Steinen ausdrückt wurde, daher der Bekanntheitsgrad. Das Rad als Sinnbild für das Leben an sich ist jedoch ein universelles Konzept und daher überall und auf alles anwendbar.

Wie sind Sie auf das Medizinrad gestoßen?

Während meiner Heilpraktiker-Ausbildung vor 30 Jahren faszinierte mich die Idee, dass es in der alten Medizin, der Humoralpathologie, ein Konzept gibt, das dem Menschentyp unter anderem Jahreszeiten, Gefühlsaspekt etc. zuordnet. Bei der Suche nach Analogien forschte ich in verschiedenen Kulturen und stieß dabei schnell auf die traditionelle Weisheit der verschiedenen nordamerikanischen Stämme. Ich musste feststellen, dass sich deren jeweilige Systeme in ihren Zuordnungen, wie etwa von Himmelsrichtungen mit bestimmten Farben, widersprechen. In sich sind die einzelnen Systeme aber stimmig. Dies hat mich auf die Idee gebracht, neue »Räder« zu entwickeln.

Wie sind Sie auf den ungewöhnlichen Titel „Und in der Mitte bist du heil“ gekommen und was bedeutet er genau?

Auf meinem persönlichen Weg der Suche erwachte ich eines Morgens vollkommen entspannt und zentriert – und mit dem Bewusstsein, dass alles, was ist, in Ordnung ist. Dieses tief in mir verwurzelte Gefühl war mit den Worten „Und in der Mitte bist du heil“ verbunden. Diese bedeutungsvolle Erfahrung hinterließ in mir ein tiefes Wissen, mit dem ich heute als Heilpraktikerin Menschen therapeutisch und schamanisch begleite, die Halt suchen, um Krisen zu meistern, gesund zu werden oder zu bleiben und ihre eigene Vision zu finden. So wurden diese Worte zu meiner Vision.

In dem Buch skizzieren Sie Ihr eigenes Medizinrad-Modell. Können Sie kurz seine Besonderheit erklären? Kann es auch anderen Menschen helfen oder sollte jeder sein eigenes Modell entwickeln?

Ziel meiner Arbeit ist es, Menschen ihr eigenes Potenzial nicht nur kognitiv erkennbar, sondern es auch emotional und physisch erfahrbar zu machen. Dabei bediene ich mich gerne schamanischer Rituale. Das im Buch vorgestellte Medizinrad-Modell kann selbstverständlich jeder für sich nachahmen oder individuell verändern.

Ich habe ihm den Namen »Sei du selbst und werde, der du werden kannst« gegeben. Es ist ein ausführliches Konzept, das sich besonders gut für die Gruppenarbeit eignet, da hier die Rituale von der Gemeinschaft getragen werden. Daher ist es im Buch nur kurz skizziert.
Im Vorfeld erarbeite ich mit dem Klienten oder den Seminarteilnehmern sowohl das eigene männliche als auch das weibliche Potenzial. Spannend ist ja oft erst einmal, was genau man mit diesen beiden Aspekten verbindet oder was in der Herkunftsfamilie darüber gesagt wurde. Dann beschäftigt man sich mit dem Wissen und der Weisheit der Ahnen. Damit sind sowohl die biografischen als auch die spirituellen Ahnen gemeint.

Wenn sich der Klient nun in die Mitte eines Kreises stellt, kann er sich, zum Beispiel in einem Ritual, den unschätzbaren Reichtum der Ahnen hinter sich vorstellen, sein Potenzial von weiblicher, nährender Kraft auf der einen Seite neben sich und auf der anderen Seite die aktive männliche Kraft. Das gibt spürbar Halt und Sicherheit. Vor sich kann er die Magie, das Neue, das noch nicht Gedachte oder aber die kindliche Leichtigkeit platzieren. Wenn er sich dann noch mit der Schöpferkraft von oben und Mutter Natur von unten verbindet, hat er alles, was das Universum zu schenken vermag und ist vollkommen „heil“.

Wie kann das Medizinrad dem heutigen Menschen konkret helfen?

Wir leben in einer Zeit großer Veränderung und Verunsicherung. Daher brauchen wir eine Orientierung, die zum einen Bodenständigkeit und zum anderen Gelassenheit und Vertrauen gibt.

Tatsächlich hilft das Rad diese aktuellen Herausforderungen zu meistern und in der Balance zu sein oder zu bleiben. Es verhilft zu einem inneren Kompass, um kluge Entscheidungen zu treffen, die in Umbruchsituationen notwendig sind, unterstützt ein ganz persönliches System der inneren Ruhe und bietet Orientierung. Außerdem ist es ein wunderbares Werkzeug, das persönliche Potenzial weiterzuentwickeln.

Mit dem Modell des Medizinrades kann man zu persönlicher Stabilität gelangen, die in der Ruhe der Mitte verankert ist und gleichzeitig den sich verändernden Standpunkten und Sichtweisen im Alltag gerecht wird.

Vielen Dank für das Gespräch.

Ich danke Ihnen.